Wir werfen einen Blick in die Geschichte der Zahnheilkunde und gehen auf die Legende des Zahnwurms, verschiedene Epochen, Meilensteine und historische Behandlungsformen ein.
Wer sich mit der Geschichte der Zahnmedizin und der Entstehung von Karies beschäftigt, wird gehäuft auf diesen damaligen Irrglauben stossen. Der Zahnwurm als Ursache von Karies wird erstmals in einem sumerischen Text aus der Zeit um ca. 5000 vor Christus beschrieben. Eine in der Stadt Assur gefundene Tafel zeigt, dass der Zahnwurm und andere Zahnerkrankungen unterschiedlich behandelt wurden. Im alten Indien, in Ägypten sowie in Japan und China wurde ein kranker Zahn als Wurmzahn bezeichnet. Aber auch bei den Maya und Azteken fanden sich Belege dafür, dass der Zahnwurm als Ursache für Karies verantwortlich gemacht wurde. Die Legende von den Zahnwürmern findet sich in der Geschichte auch in den Werken Homers. Selbst im vierzehnten Jahrhundert war der Arzt Guy de Chauliac noch davon überzeugt, dass Zahnwürmer für Karies verantwortlich sind.
Erste wissenschaftliche Theorien
Es dauerte bis ins 19. Jahrhundert, bis sich unterschiedliche Theorien zur Kariesentstehung entwickelten, die die humoral pathologisch basierten Auffassungen ersetzten. Der englische Zahnarzt Andrew Clark betrachtete 1825 Zahnkrankheiten als Konsequenz der Ernährungsweise reicher Bevölkerungsschichten und kam zu dem Schluss, dass einfache, an ein raues Leben angepasste Personen in der Regel gesunde, von Karies freie Zähne hätten. Der Amerikaner Willoughby D. Miller entwickelte die „chemoparasitäre Theorie“, nach der Milchsäurebakterien bis in die 1960er Jahre als Verursacher galten, nachdem er sich während seines Aufenthaltes in Deutschland an der Universität Berlin bei Robert Koch bakteriologisch weitergebildet hatte. Streptococcus mutans wurde schliesslich 1960 von Paul Keyes als Karieserreger entdeckt.
Die Geschichte der Zahnmedizin beginnt mit einfachen Behandlungsmethoden. Bevor sie sich zur medizinischen Disziplin entwickelte, war sie in den frühen Kulturen noch eng mit Magie und Aberglauben verbunden.
Im Jahr 2015 wurde der kariös zerstörte Backenzahn eines männlichen, etwa 14.000 Jahren alten Menschen analysiert. Dieser wurde im Jahr 1988 in der Felsgrotte Riparo Villabruna in der Nähe von Sovramonte in nördlichen Italien entdeckt. Die Befunde zeigten, dass das Kariesloch mit einer winzigen, zugespitzten Klinge aus Stein behandelt wurde, um entzündetes Gewebe zu beseitigen. Die älteste, etwa 6500 Jahre alte Zahnfüllung aus Bienenwachs, wurde in Slowenien gefunden. Mit ihr wurde ein abgebrochener Eckzahn rekonstruiert. Einen sehr frühen Nachweis gibt es auch für die Trepanation. Bei Grabungen in Dänemark wurde ein trepanierter Backenzahn gefunden, der etwa 5000 Jahre alt ist.
Schriften aus Ägypten berichten von den ersten Zahnärzten, die mit einfachen Behandlungsmethoden versuchten, Löcher in Zähnen mit einer Art Zahnfüllung zu verschliessen. Bereits damals gab es die ersten Zahnbürsten aus Holzfasern und Kräuterpasten zur Zahnpflege.
In der griechischen und römischen Antike wurde die Zahnmedizin als ein Teil der allgemeinen Medizin betrachtet. Verschiedene Diagnosen und Behandlungsmethoden von Zahnproblemen wurden in den Werken von Hippokrates und Galen beschrieben. Primitive Zahnprothesen wurden bereits von den Römern entwickelt. In römischen Gräbern wurden auch Gebisse mit Golddrahtgebinden gefunden. Die Zahnärzte begannen mit der Durchführung einfacher Zahnbehandlungen in speziellen Einrichtungen, die als Vorläufer der modernen Zahnarztpraxis angesehen werden können.
Im Mittelalter war die Zahnmedizin weniger eine wissenschaftliche Disziplin als vielmehr eine Praxis von Priestern und Barbieren. Priester beschäftigten sich mit der Allgemeinmedizin, Barbiere mit der praktischen Zahnbehandlung. Ohne Betäubung und hygienische Standards wurden Zähne mit einfachen Instrumenten gezogen. Erst im Spätmittelalter begannen sich spezialisierte Zahnärzte und Zahntechniker mit neuen Behandlungsmethoden zu beschäftigen. Die heilige Apollonia, eine christliche Märtyrerin, galt als Schutzpatronin der Zahnärzte und aller Menschen, die unter Zahnschmerzen leiden. Der Legende nach wurde sie im 3. Jahrhundert n. Chr. in Alexandria gefoltert. Dabei wurden ihr die Zähne ausgeschlagen. Ihr Name galt lange als Synonym für Zahngesundheit und in vielen alten Zahnarztpraxen spendete ihr Bild Hoffnung für Patienten. Mit diesen frühen Entwicklungen wurde der Grundstein für die moderne Zahn- und Mundheilkunde gelegt. Doch erst mit den wissenschaftlichen Fortschritten der Neuzeit begann die eigentliche Entwicklung der Zahnmedizin, wie wir sie heute kennen.
Die Modernisierung der Zahnmedizin begann im 20. Jahrhundert. Fortschritte in der Diagnostik führten zu einer präziseren Behandlung, während die Einführung der Narkose eine schmerzfreie zahnärztliche Behandlung möglich machte. Neue Materialien für Füllungen und Zahnersatz verbesserten die Zahnerhaltung. Einheitliche Hygienemassnahmen und die fachliche Ausbildung von Zahnärzten und Zahntechnikern führten zur Professionalisierung der Zahnheilkunde. Der „Central Verein“ setzte sich für die Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein und trug zur Weiterentwicklung der Zahnheilkunde bei.
Digitale Technologien sind heute dabei, die Zahnmedizin zu revolutionieren. Mit CAD/CAM-Systemen wird passgenauer Zahnersatz hergestellt und KI-gestützte Diagnosen ermöglichen präzisere Behandlungsmethoden. Neue Möglichkeiten für den Erhalt von Zähnen verringern die Notwendigkeit von invasiven Eingriffen. Auch die Automatisierung verändert die Zahnmedizin. Roboterassistierte Behandlungen verbessern die Präzision. Fortschritte in der regenerativen Medizin könnten zukünftig natürliche Zähne nachwachsen lassen. Was wie Science Fiction klingt, ist einem Forscherteam der Kyoto-Universität in Japan unter der Leitung von Katsu Takahashi mit klinischen Studien für ein Medikament bereits ansatzweise gelungen.
Viele faszinierende und manchmal auch kuriose Behandlungsmethoden haben sich im Laufe der Jahrhunderte in der Geschichte der Zahnmedizin entwickelt. Einige wesentliche stellen wir Ihnen nachfolgend genauer vor.
Rekonstruktive Zahnmedizin: Schon in der Antike haben die Zahnärzte versucht, verloren gegangene Zähne wieder zu ersetzen. Die ersten Prothesen bestanden aus Tierknochen, Holz oder menschlichen Zähnen, die von Verstorbenen stammten. Später kamen auch Füllungen aus Gold zum Einsatz. Wer es sich nicht leisten konnte, griff auf Bleifüllungen zurück. Dass diese gesundheitsschädlich sind, wurde erst viel später herausgefunden. In chinesischen Schriften findet man Hinweise, dass Amalgam bereits in der Tang-Dynastie verwendet wurde. Im 18. Jahrhundert wurden die ersten Zähne aus Porzellan hergestellt. Das war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur modernen Technologie des Zahnersatzes. Der Franzose Nicolas Dubois de Chémant meldete 1789 dafür das Patent an.
Ästhetische und rituelle Zahnveränderungen: Auch Veränderungen an den Zähnen wurden in vielen Kulturen bewusst vorgenommen. In Südostasien und Afrika wurden Zähne beispielsweise gefeilt. Damit sollte der soziale Status oder die spirituelle Zugehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden. In der Maya-Kultur wurden Edelsteine in die Zähne eingearbeitet. Dies gilt als ein früher Vorläufer der modernen ästhetischen Zahnmedizin.
Kuriose Urin-Therapie: Die Verwendung von Urin war eine der ungewöhnlichsten Methoden der Zahnpflege. Um die Zähne aufzuhellen und Zahnkrankheiten zu bekämpfen, wurde im alten Rom Urin als Zahnpasta verwendet. Diese Praktik hielt sich auch noch im römischen Hochadel. So empfahl Marie de Sévigné im 17. Jahrhundert in einem Brief an ihre Tochter, sie solle am Morgen und am Abend Urin zum Zähneputzen verwenden. So kurios das erscheinen mag, die Wirksamkeit lässt sich wissenschaftlich belegen. Das im Urin enthaltene Ammoniak kann Zähne tatsächlich weisser erscheinen. Glücklicherweise gibt es in der heutigen Zeit einige Alternativen dafür.
Stomatoskop:
Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der modernen Diagnostik war die Erfindung des Stomatoskops. Dabei handelte es sich um eine frühe Form des Dentalspiegels. Mit diesem konnten Zahnärzte Erkrankungen in der Mundhöhle der Patienten besser diagnostizieren. Als Erfinder gilt der Zahnarzt Julius Bruck, der die Konstruktion 1865 vorstellte. Der heutige Mundspiegel gilt als eine der besten Innovationen im Wandel der Zahnmedizin, welche von Joseph Murphy im Jahr 1811 entwickelt wurde.
Wir sind auch hier